Mangelfolgeschaden am Auto und das Recht auf Nacherfüllung

Es stellt sich die Frage nach der Nacherfüllung bei Mangelfolgeschäden: Muss die Vertragswerkstatt angerufen und ihr die Möglichkeit gegeben werden, das Fahrzeug in die Werkstatt zu verbringen, es dort zu prüfen und zu reparieren? Wie verhält es sich in dringlichen Situationen wie der beschriebenen mit der Nacherfüllungsfrist und der Garantie auf erfolgte Leistungen?

Und gegeben den Fall, dass man die Vertragswerkstatt nicht erreicht: Kann und darf das Fahrzeug sofort direkt vor Ort in einer (anderen) Werkstatt repariert werden? Und besteht in diesem Fall ein Anspruch gegen die Vertragswerkstatt auf Erstattung der Reparaturkosten?

Der Bundesgerichtshof hatte Gelegenheit, die Rechtslage hierzu zu präzisieren.

Wer haftet für Schaden nach Inspektion? - ein Praxisbeispiel! 

Ein Kfz Halter hatte sein Fahrzeug am Wohnort zur Jahresinspektion in die Vertragswerkstatt gebracht. Im Rahmen der Wartungsarbeiten tauschte die Werkstatt unter anderem den Keilrippenriemen, den Riemenspanner und den Zahnriemen für die Motorsteuerung aus.

3 Wochen nach der Jahresinspektion: Panne

Etwa 3 Wochen später war der Kfz Halter mit seinem Fahrzeug außerhalb seines Wohnorts unterwegs, als plötzlich erhebliche Probleme mit der Lenkung auftraten. Eine sichere Weiterfahrt war aufgrund der nicht möglich, sodass das Fahrzeug in die nächstgelegene Werkstatt abgeschleppt werden musste. Die versuchte Kontaktaufnahme des Kfz Halters zur Vertragswerkstatt war daran gescheitert, dass sich die Vertragswerkstatt in Betriebsferien befand.

Ergebnis der Untersuchung: Mangelfolgeschäden am PKW

In der Werkstatt, in die das Fahrzeug abgeschleppt worden ist, ist festgestellt worden, dass bei der Wartung in der Vertragswerkstatt der Keilrippenriemen nicht richtig gespannt worden ist. Aus diesem Grund waren Mangelfolgeschäden eingetreten: Der Keilrippenriemen war gerissen, hatte sich um die Welle und das Gehäuse der Lichtmaschine gewickelt und diese beschädigt. Zudem hatten sich Überreste des Riemens um die Riemenscheibe der Servolenkungspunkte gewickelt. Aufgrund dessen war die Riemenscheibe gebrochen und die Dichtung der Servolenkungspumpe beschädigt worden. Zudem sei ein Teil des Riemens in den Riementrieb des Zahnriemens gelangt.

Reparatur der Mangelfolgeschäden durch zweite Werkstatt rechtens?

Da die Vertragswerkstatt nicht erreichbar und verfügbar war, beauftragte der Kfz Halter die zweite Werkstatt damit, sofort Keilrippenriemen, Riemenspanner, Zahnriemen, Servolenkungspumpe und Lichtmaschine zu ersetzen.

Die hierfür vom Kfz Halter aufgewendeten Reparaturkosten verlangte er von seiner Vertragswerkstatt zurück. Diese lehnte die Kostenerstattung ab: Der Kfz Halter habe ihr gegenüber nicht den Mangel angezeigt und sie nicht zur Mängelbeseitigung unter Fristsetzung aufgefordert.

Bundesgerichtshof: Unterscheidung zwischen geschuldeten Wartungsarbeiten und Schäden an anderen Rechtsgütern 

Der Bundesgerichtshof hat zunächst klargestellt, dass zwischen der mangelhaften Werkleistung an sich und zwischen Schäden, die aufgrund des Werkmangels an anderen Rechtsgütern eingetreten sind, zu unterscheiden ist. 

  • Mangelhafte Werkleistung: Nacherfüllung nach Fristsetzung

Bezüglich der mangelhaften Werkleistung an sich ist dem Grunde nach eine Fristsetzung zur Nacherfüllung gegenüber dem Werkunternehmer erforderlich, um dem Werkunternehmer eine letzte Gelegenheit zur Erbringung der geschuldeten Werkleistung, also zur Herstellung eines mangelfreien Werks, zu geben. Diese Nacherfüllung umfasst alle Arbeiten, die erforderlich sind, um einen vertragsgemäßen Zustand herzustellen. Erfordert diese Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung auch Eingriffe in sonstige Rechtsgüter des Bestellers, sind durch den Unternehmer auch die hierdurch entstehenden Schäden zu beheben.

  • Indirekte Mangelfolgeschäden - von der Nacherfüllung ausgenommen

Mangelfolgeschäden hingegen, die (indirekt) an anderen Rechtsgütern des Bestellers durch die mangelhafte Werkleistung verursacht worden sind, werden von der Nacherfüllung nicht erfasst. Die Folge: Bezüglich der Beseitigung der Schäden an den anderen Rechtsgütern muss der Unternehmer nicht zur Nacherfüllung unter Fristsetzung aufgefordert werden. Der Grund liegt in der Nacherfüllung selbst. Innerhalb einer gegebenen Frist soll der Unternehmer die Möglichkeit erhalten, ein mangelhaftes Werk wieder herzustellen. Die aber bereits an anderen Rechtsgütern eingetretenen Schäden können durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht (mehr) beseitigt werden. In diesem Zuge entfällt auch die Nachfristsetzung.

Theoretische Unterscheidung im Fallbeispiel

Im geschilderten Fall kommen allerdings beide Arten von Schaden zusammen und erschweren eine praktikable Entscheidung. Im konkreten Fall hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Kfz Halter dem Grunde nach seine Vertragswerkstatt bezüglich des Ersatzes des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens eine Frist zur Nacherfüllung hätte setzen müssen, denn der ordnungsgemäße Einbau von Keilrippenriemen, Riemenspanner und Zahnriemen gehörten zu den vertraglich geschuldeten Wartungsarbeiten der Vertragswerkstatt.

Hingegen zählen die Beschädigung von Lichtmaschine und Servolenkungspumpe nicht zu der mangelhaften Werkleistung, sondern sind Schäden an anderen Rechtsgütern, die durch die mangelhafte Werkleistung verursacht worden sind. Bezüglich des Austausches der Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe bedurfte es keiner Fristsetzung zur Nacherfüllung gegenüber der Vertragswerkstatt.

Trennung der Reparaturen in der Realität oft schwierig

Das führt zu der paradoxen Situation, dass der Halter eines Fahrzeugs bezüglich einiger Schäden die zuvor die Wartung/Reparatur ausführende Werkstatt zur Nacherfüllung unter Fristsetzung auffordern muss, während er für andere Schäden an demselben Fahrzeug die Werkstatt nicht zur Nacherfüllung unter Fristsetzung auffordern muss und die Reparatur dieser Schäden sofort bei einem Dritten beauftragen darf. Meistens ist doch zunächst gar nicht klar, was genau defekt ist und ob es sich um eine mangelhafte Werkleistung oder um einen Schaden an einem anderen Rechtsgut handelt.

Interesse an einheitlicher Reparatur kann ausschlaggebend sein

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Kfz Halter hier sofort die Werkstatt vor Ort beauftragen durfte, Keilrippenriemen, Riemenspanner, Zahnriemen, Servolenkungspumpe und Lichtmaschine zu reparieren, und einen Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten gegen seine Vertragswerkstatt hat. 

Ob der Umstand, dass die Vertragswerkstatt zum Zeitpunkt des Schadenseintritts in den Betriebsferien war, ausnahmsweise die Fristsetzung entbehrlich machen konnte, hat der Bundesgerichtshof offen gelassen. Entscheidend war vielmehr, dass aus Sicht des Bundesgerichtshofs beim Kfz Halter ein besonderes Interesse an einer einheitlichen Reparatur bestand, bei der auch die wirtschaftlich im Vordergrund stehenden Folgeschäden an der Lichtmaschine und der Servolenkung miterledigt werden. Hinter dieses Interesse des Kfz Halters tritt das grundsätzlich bestehende Interesse der Vertragswerkstatt an der Nacherfüllung betreffend Keilrippenriemen, Riemenspanner und Zahnriemen zurück. Letzteres hätte zudem ein aufwendiges Verbringen des Fahrzeugs im Anschluss von Austausch von Lichtmaschine und Servolenkung in die Vertragswerkstatt erforderlich gemacht.

Unterscheidung von Werkmangel und Mangelfolgeschäden muss von Fall zu Fall beachtet werden

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist eher eine Klarstellung zur Unterscheidung von Werkmangel und Mangelfolgeschäden sowie zu den einzuhaltenden Formalien bezüglich Werkmangel und Mangelfolgeschäden. Hieraus kann nicht der Schluss gezogen, dass es generell erlaubt ist, bei einem Defekt weit ab von der Vertragswerkstatt ohne weiteres eine andere Werkstatt mit der Reparatur zu beauftragen und die Vertragswerkstatt verpflichtet ist, die Reparaturkosten zu erstatten. Der Bundesgerichtshof hat hier in einem Einzelfall einem Kfz Halter wegen besonderer Umstände geholfen.